Kurzweiliger, aber zumeist oberflächlicher (Polit-)Thriller
Von: Büchermonster
Datum:
11. März 2022
Dass man als US-Präsident aus strafrechtlicher Sicht praktisch unantastbar ist, hat nicht zuletzt die umstrittene Amtszeit von Donald Trump jüngst eindringlich unter Beweis gestellt. Doch wie wäre es, wenn sich das wohl mächtigste Staatsoberhaupt der Welt tatsächlich einmal für von ihm begangene oder abgesegnete Verbrechen vor einem neutralen Gericht verantworten müsste? Ein solches Szenario entwirft Bestsellerautor Marc Elsberg in seinem neuen Thriller „Der Fall des Präsidenten“, allerdings ist der hier zur Rechenschaft gezogene Douglas Turner zum Zeitpunkt seines vermeintlichen Niedergangs bereits aus dem Amt gewählt worden – Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen mit den Initialen D.T. sind dabei natürlich rein zufällig…
Ein (ehemaliger) US-Präsident auf der Anklagebank
Eben jener Turner schlug aus seiner Wahlniederlage jedoch mächtig Profit und verkaufte nicht nur seine Memoiren für eine unverschämte Millionensumme, sondern lässt sich auch geschäftig von Unternehmen in aller Welt durch lukrative Aufsichtsratsposten und gut besuchte Vorträge die Taschen füllen. Und so tritt der Ex-Präsident auch in Athen selbstbewusst und gut gelaunt aus seinem Privatjet, nur um sich kurz darauf plötzlich in Handschellen wiederzufinden – verhaftet von griechischen Beamten im Auftrag des International Criminal Court (ICC), dem Internationalen Strafgerichtshof, weil ihm Verstöße gegen das Völkerrecht vorgeworfen werden. Nicht nur Douglas Turner und seine Gefolgschaft fallen daraufhin aus allen Wolken, auch für seinen sich mitten im Kampf um die Wiederwahl befindlichen Nachfolger Arthur Jones ist die Nachricht aus Südeuropa eine Katastrophe. Denn auch wenn er angesichts der misslichen Lage seines früheren Widersachers innerlich eine gewisse Schadenfreude kaum verhehlen kann, so kann er es sich doch keinesfalls erlauben, dass die USA unter seiner Führung durch die Verhaftung eines ehemaligen Staatsoberhauptes in der Welt bloßgestellt werden.
Was wäre wenn…
Marc Elsberg wirft in seinem Roman eine interessante Frage auf, nämlich ob man einen amerikanischen (Ex-)Präsidenten tatsächlich für in seiner Amtszeit begangene Kriegsverbrechen wie Militärschläge gegen zivile Ziele zur Verantwortung ziehen und vor Gericht stellen kann. Da es eine vergleichbare Situation in der Realität bisher noch nicht gab, konnte sich der Autor – wie er im Nachwort selbst offenbart – bei seiner Geschichte einige erzählerische Freiheiten erlauben. Davon macht Elsberg auch gerne Gebrauch, was im Optimalfall der Dramaturgie zugute kommt, mitunter aber auch für skurrile Szenen sorgt. Denn auch wenn man den USA als Staat vielleicht nicht unbedingt wohlgesinnt sein mag darf doch bezweifelt werden, dass ein europäisches Land einen ehemaligen US-Präsidenten unter den Augen der Weltöffentlichkeit wie einen x-beliebigen Schwerverbrecher in eine karge, völlig überhitzte und hygienisch fragwürdige Zelle eines heruntergekommenen Gefängnisses stecken würde. Aber gut, bei „Der Fall des Präsidenten“ handelt es sich schließlich in erster Linie um einen Unterhaltungsroman.
Alles für den Unterhaltungswert
Da überrascht es dann auch kaum, dass die Charaktere durch die Bank eher schablonenhaft geraten sind. So sind zum Beispiel der Ex-Präsident Turner und sein Nachfolger Jones in ihrer selbstverliebten Hitzköpfigkeit kaum zu unterscheiden und auch Hauptfigur Dana Marin, die als junge Juristin etwas unfreiwillig den ICC bei der Anklage in Athen vertritt, zeichnet sich vor allem durch ein hohes Maß an Naivität aus und lässt sich von griechischen Schönlingen den Kopf verdrehen und von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit schleppen, als ob sie in dieser hochbrisanten politischen Situation nichts Wichtigeres zu tun hätte. Dazu passt auch, dass Griechenland hier praktisch durchweg als etwas bessere Bananenrepublik dargestellt wird, in der korrupte Richter fast nach Belieben entscheiden und geltende Gesetze mehr als großzügig ausgelegt werden können – und das in einem derartigen Präzedenzfall, der das Potenzial hat, die Welt an den Rand eines Krieges zu führen.
Am stärksten im Gerichtssaal
Diese oft etwas unglaubwürdigen „erzählerischen Freiheiten“ haben aber den gewünschten Effekt und sorgen trotz des nicht gerade geringen Umfangs von knapp über 600 Seiten für einen durchweg hohen Unterhaltungswert, dem die vereinfachende Straffung der Geschichte zumeist zugute kommt. Am stärksten ist dieser Thriller dabei immer dann, wenn der Autor sein Publikum mitnimmt in den Gerichtssaal und man spannende Einblicke in die Funktion und Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes bekommt, wobei oft juristische Details entscheidend sind. Derartige Zusammenhänge werden anschaulich und unterhaltsam vermittelt und sind auch in Hinblick auf das aktuelle Weltgeschehen interessant.
Kurzweilig, aber ohne wirklichen Nachhall
Wer nun aber einen Justizthriller im Stile eines John Grisham erwartet hat hier zu hohe Ansprüche, denn die gerichtlichen Episoden sind zumeist kurz und werden in der Regel auch eher vereinfacht dargestellt. Stattdessen ist „Der Fall des Präsidenten“ eher aus der Kategorie „von allem etwas“: ein wenig Politik hier, eine Portion Gerichtsdrama dort, dazu immer wieder ein paar Actionszenen – alles in leicht bekömmlicher Dosierung, ohne bei einem bestimmten Aspekt – ähnlich wie bei den austauschbaren Charakteren – aber wirklich ins Detail zu gehen. So ist der neue Elsberg dann auch ein durchweg unterhaltsamer Spannungsroman, der aber wie die nach dem Mega-Erfolg „Blackout“ erschienenen Titel des Autors kaum durch erzählerischen Tiefgang in Erinnerung bleiben wird, sondern im besten Fall lediglich für ein paar kurzweilige Stunden sorgt – aber das ist ja auch schon mal was.