Interview mit Marc Elsberg zu »Der Fall des Präsidenten«
Worum geht es in diesem Thriller?
Marc Elsberg: Ein ehemaliger Präsident der USA wird von den griechischen Behörden im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs verhaftet - wegen Kriegsverbrechen im sogenannten ‚Krieg gegen den Terror‘. Das ist die Handlung. Worum es geht? Es geht darum, wie der Westen zu seinen eigenen Werten steht, allen voran den Menschenrechten. Ich fand das angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte eine zunehmend spannende Frage.
Was ist das Besondere am neuen Buch?
Es entwirft ein Szenario, dass kein Thriller bislang so aufgegriffen hat, zumindest nicht, dass ich wüsste. Damit bringt Der Fall des Präsidenten das Thema internationale Konflikte erstmals auf jene Ebene, auf die es gehört. Bislang bricht die Krimi- und Thrillerwelt internationale Konflikte und ihre Folgen gern auf die regionale Ebene herunter. Da schlagen sich die Ermittelnden dann etwa mit den internationalen Menschen- oder Drogenhändlern herum. Ich fand es spannend, hier einmal die internationale Dimension zu dramatisieren. Immerhin leben wir in einer globalisierten Welt, die auch weltumspannende Institutionen wie den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingeführt hat – und die für ein gedeihliches Zusammenleben früher oder später eine wichtige Rolle spielen. In anderen Bereichen tun sie das ja längst, man denke etwa an die Welthandelsorganisation WTO.
Nach eher technologie- und naturwissenschaftlich sowie wirtschaftlich orientierten Romanen wenden Sie sich in Der Fall des Präsidenten dem politischen Geschäft und der internationalen Rechtsprechung zu – wie kam das?
Die internationale Rechtsprechung beschäftigt mich schon lange. Interessanterweise kam es in der Thrillerlandschaft bislang praktisch nicht vor. Was umso erstaunlicher ist, weil es uns laufend wesentlich beschäftigt. Man denke an die Migrationsereignisse der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die nicht zuletzt unter anderem die Folgen - meist konsequenzloser - Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen sind. Vielleicht würde das alles anders aussehen, wenn Menschenrechtsverletzungen konsequenter verfolgt würden …
Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Roman gekommen?
Man braucht nur die Nachrichten anzusehen, da denkt man sich doch öfter „der gehört dafür eigentlich hinter Gitter. Oder wenigstens vor Gericht.“ Denn im Allgemeinen passiert ja eher das Gegenteil: Donald Trump etwa hat in seinen letzten Wochen als Präsident sogar verurteilte US-Kriegsverbrecher begnadigt.
Wie haben Sie in den Bereichen internationales Recht und Polizei/Geheimdienstarbeit recherchiert?
Da gibt es unendlich viele Quellen online. Speziell für die Rechtsfragen habe ich mich aber auch ausführlich von Spezialist*innen auf dem Gebiet beraten lassen. Ich bin ja kein Jurist und internationales Strafrecht ist noch einmal ein eigenes Thema, bei dem sich oft selbst die Experten nicht einig sind …
Was hat Sie bei den Recherchen am meisten erstaunt?
Weniger erstaunt als empört: womit Täter immer wieder und immer noch davonkommen. Was in internationalen Fällen natürlich weniger mit der Rechtsprechung zu tun hat als mit Machtverhältnissen und politischen sowie wirtschaftlichen Interessen.
Sie haben in Ihren Thrillern Personal mit hohem Identifikationspotenzial. Wie gehen Sie dabei vor, mit welchen Figuren sympathisieren Sie besonders?
Die Leserinnen und Leser sollen sich ja in den Büchern wiederfinden und eine Verbindung zu ihrem eigenen Leben herstellen können. Gleichzeitig geht es mir immer darum, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Dazu führe ich Charaktere mit verschiedenen persönlichen Hintergründen und Ansichten ein. So wie im ganz normalen Leben, wo man dann am Familientisch oder in der Freundesrunde auch mal sehr kontrovers diskutiert. Ich mag die meisten meiner Figuren auf ihre Art, sogar jene, die von der Mehrzahl der Leserinnen und Leser wohl als „die Bösen“ wahrgenommen werden. Denn im Allgemeinen gebe ich auch diesen sympathische Schwächen mit, die sie menschlich machen und ganz bewusst oft auch Ansichten und Haltungen, die viele Leserinnen und Leser dann doch teilen. Das macht sowohl die Figuren ambivalenter als auch den inneren Konflikt für die Leserinnen und Leser größer - und damit die Geschichte spannender.
Wie stehen Sie selbst zum Thema Strafverfolgung von (Ex-)Amtsträgern hinsichtlich Kriegsverbrechen und anderer schwerer Vergehen?
Solche Verbrechen müssen aufgeklärt und verfolgt werden. Wobei die erste schwierige Frage ja schon jene ist – wie man auch in ‚Der Fall des Präsidenten‘ schnell erfährt: Wann ist eine Tat ein Kriegsverbrechen? Und wann und wer darf oder muss sie verfolgen?
Möchten Sie mit Ihren Büchern die Welt verändern?
Ob ich will oder nicht - mit Büchern verändert man immer die Welt, und sei es nur die Gedankenwelt der Leserinnen und Leser für die Zeit, die sie in ein Buch abtauchen.