- zu viel Theorie, zu wenig Praxis -
Von: LACK OF LIES
Datum:
22. Juli 2019
Marc Elsberg - Gier-Wie weit würdest du gehen?
(Blanvalet Verlag)
- zu viel Theorie, zu wenig Praxis -
Die Szenarien, die der am 03.01.1967 in Wien geborene, mit bürgerlichem Namen Marcus Rafelsberger heißende österreichische Schriftsteller Marc Elsberg in seinen fundierten Wissenschaftsthrillern kreiert, sind vornehmlich dystopischer Art. So hat auch "Gier" die frappierende Ungleichheit der Bevölkerung, die soziale Ungerechtigkeit des Kapitalismus, die anmaßende Eleganz der Dekadenz und den unvermeidbaren Niedergang des Systems zum Thema erkoren: Wirtschaftsgipfel in Berlin. Ein Finanzkollaps droht. Demonstrationen, Plakate, Molotowcocktails, Polizisten, brennende Autos, ein wütender Mob. Eine gepanzerte Mercedes Limousine fährt mitten hindurch. Scheinbar ohne Rücksicht auf Verluste. Einige hundert Meter weiter folgt ein schwerer Unfall, der den Wagen aus der Fahrspur katapultiert. Direkt gegen einen Baum. Jan Wutte, ein fast noch jugendlicher, zufällig vorbeikommender Radfahrer und Pfleger will den Verunglückten helfen, wird aber von vier muskulösen, schwarz gekleideten und behandschuhten Männern unsanft von seinem ehrenwerten Vorhaben abgebracht. Einer der Fahrzeuginsassen konnte Jan jedoch noch etwas mehr oder weniger verständliches ins Ohr flüstern. Und dann geht alles in Flammen auf. Der Nobelpreisträger Herbert Thompson stirbt neben zwei weiteren Personen in dem brennenden Fahrzeugwrack. Er hatte gemeinsam mit Will Cantor, der ebenfalls in dem Fahrzeug verbrannte, ein Essay bezüglich einer neuen wirtschaftlichen Weltordnung verfasst, das einigen Personen in Politik und Wirtschaft übel aufgestoßen haben dürfte.
Jan Wutte flieht. Direkt in die Arme der Polizei. Er wird von den Beamten noch vor Ort befragt. Man scheint ihn zu verdächtigen, den Brand gelegt zu haben und somit Schuld am Tod der drei Fahrzeugpassagiere zu tragen. Jan sieht in einem unbeobachteten Moment zu, dass er auch hier schnellstmöglich Land gewinnt. Und dieses Mal hat er neben den schwarz gekleideten Gangstern zusätzlich noch die Polizei im Nacken. Wer wird seiner wohl zuerst habhaft? Wutte versucht sich einen Reim auf das zu machen, was ihm einer der Todgeweihten zuvor ins Ohr geflüstert hatte. Auf seiner Suche begibt sich der Pfleger in eine Bar. In die Golden Bar. Dies war einer der Namen, bzw. Örtlichkeiten, die der Sterbende ihm noch hatte zuflüstern können. Sehr zur Verwunderung seiner Verfolger bestellt sich Jan dort scheinbar seelenruhig ein Bier, geht dann zielstrebig auf einen der Tische zu und beginnt mit den jungen Leuten am Tisch um Geld zu zocken. Seine sichtlich irritierten Verfolger beobachten ihn, bis ein schlechter Verlierer die Nerven verliert und am Tisch eine Schlägerei anzettelt. Die Männer in Schwarz wollen Jan Wutte habhaft werden oder in gar töten. Doch Jan kann mit einem der jungen Leute vom Tisch, einem Engländer und professionellen Spieler namens Fitzroy Peel, ein weiteres Mal fliehen. Peel steht in direkter Verbindung zu dem Fahrzeuginsassen, der Jan die bruchstückhaften Worte ins Ohr geflüstert hatte. Für ihn und den Engländer beginnt eine Verfolgungsjagd im Stile von "Die Bourne Identität" durch die Straßen, Häuser, Hotels und sogar auf den Dächern von Berlin. Immer auf der Suche nach Anhaltspunkten, die ihnen ihre prekäre Lage erklärt. Maja und Jörn, zwei Polizisten, sowie ihre muskelbepackten Verfolger sind ihnen dabei ständig auf den Fersen.
Marc Elsberg kreiert zu Beginn seines achten Romans einen ziemlichen Wirrwarr aus den verschiedensten Erzählsträngen, Personen und Situationen. Er vergisst darüber den Leser, der seine liebe Mühe damit hat, seinen Gedankengängen ohne besondere Charakterzeichnungen oder entsprechendes Lokalkolorit zu folgen. Zu viele Überlegungen, zu wenig Fakten. Zu viel Theorie und zu wenig Praxis. Will sagen zu viel Wirtschaftswissenschaften und Mathematik, zu wenig Story. Dies hemmt immer wieder unnötig den Lesefluss. Man muss schon einen gewissen Faible für die Grundthematik des Romans haben, um nicht immer wieder zwischendrin seufzend aufzumerken und sich zu fragen: "Schon wieder dieses Thema?". Der Roman wirkt daher auch leider etwas zu konstruiert und unpersönlich, die Protagonisten wenig sympathisch, sodass man sich kaum mit Ihnen identifizieren kann oder möchte. Wer hier einen lupenreinen und in erster Linie unterhaltsamen Thriller erwartet, wird das Buch nach den letzten Zeilen sicherlich mit einer gewissen Enttäuschung zuklappen. „Gier“, der neueste Roman des Science-Thriller Autors Marc Elsberg kommt somit leider nicht an den Vorgänger „Helix-Sie werden uns ersetzen“ heran. Guter Roman, der jedoch außer dem thematischen Grundgerüst kaum zwingendes mit sich bringt.
https://www.marcelsberg.com/
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Meine Wertung: 77/100
Link zur Buchseite des Verlags: https://service.randomhouse.de/search/Presse/Buch/GIER-Wie-weit-wuerdest-du-gehen-Roman-Der-neue-Bestseller-vom-Blackout-Autor/Marc-Elsberg/pr524245.rhd
Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, 39 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7645-0632-2
€ 24,00 [D] | € 24,70 [A] | CHF 33,90* (* empf. VK-Preis)
Verlag: Blanvalet
Erscheinungstermin: 25. Februar 2019
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