Hochspannend und brisant
Von: Lilly Sjöberg
Datum:
10. Mai 2017
Inhalt:
Das Buch ist aus mehreren Perspektiven geschrieben, die sich abwechseln.
1. Der Außenminister der USA stirbt bei einem Staatsbesuch in München. Bei der Obduktion findet man auf seinem Herzen ein Zeichen, vermutlich von Bakterien verursacht.
Jessica bekommt die Leitung des Teams, das dies aufklären soll.
2. In Afrika wachsen plötzlich Maispflanzen, denen die Dürre nichts ausmacht. Aber nur in einem bestimmten Quadratkilometer. Die Pflanzen daneben sehen so schwach aus, wie eh und je. Auch in Indien und Brasilien werden Nutzpflanzen und -tiere entdeckt, die es so nicht geben dürfte. Ein internationaler Chemiekonzern versucht heraus zu finden, was dahinter steckt.
3. Greg und Helen wünschen sich ein Kind, was auf natürlichem Weg leider nicht klappt. Kurz vor der künstlichen Befruchtung erzählt ihnen der Arzt von einem geheimen Projekt, in dem durch Behandlung der Eizellen hochbegabte Kinder hervor kommen. Und wer will seinem Kind nicht das Beste mit auf dem Weg geben?
Genau so ein Kind verschwindet einen Tag nach dem Tod des Außenministers spurlos.
Jessica findet mit ihrem Team Dinge heraus, die man nie für möglich gehalten hätte. Doch das ist alles erst der Anfang. Während die Ereignisse sich überschlagen, werden auch Greg und Helen mit in den Strudel hinein gezogen.
Meinung:
Was für ein exzellenter Biotechnologie-Thriller! Ich bin immer noch geflasht!
Wie man es von Elsberg gewohnt ist, schreibt er wissenschaftlich nahe an der Realität. Das kann bedrückend sein, aber auf jeden Fall regt es zum Nachdenken an. Er erklärt Zusammenhänge, gerade auch in der Modifizierung (=Genmanipulation) der Pflanzen. Natürlich sind es die wirtschaftlichen Interessen der nördlichen Länder und der Großkonzerne und nicht die Interessen der Bauern in Afrika, warum dort wie gepflanzt wird.
"Biotechnologie war längst zu einer zentralen Technologie des jungen Jahrtausends geworden. Und während sich, vor allem in Europa, die Menschen in der öffentlichen Diskussion über genetisch veränderte Nahrungsmittel erregten, ließen sie längst Wäsche an ihre Haut, die durch Enzyme aus genetisch veränderten Organismen im Waschmittel schon bei vierzig Grad Wassertemeperatur statt bei sechzig oder neunzig Grad sauber wurden, oder rieben sich in dieselbe Haut Kosmetika, deren Wirkstoffe teilweise von genetisch manipulierten Organismen produziert wurden, ganz zu schweigen von Medikamenten, die sie schluckten und spritzten und die ohne die kleinen Helferlein kaum produziert werden konnten."
An dem Zitat merkt man schon, dass man sich bei dem Buch etwas mehr konzentrieren muss, als bei seinen beiden anderen. (Oder liegt es nur daran, dass ich mit dem Thema nicht so firm bin?). Kann gut sein, dass es dem ein oder anderem zu technisch/wissenschaftlich ist.
Ich liebe diese Mischung und fand das Buch großartig und viel besser, als seine anderen beiden (und die haben mir auch sehr gut gefallen).
Viel Raum nimmt natürlich auch die Genmanipulation von menschlichen Zellen ein.
Wie würdest Du entscheiden, wenn Du die Möglichkeit hättest, Deinem Kind mehr Intelligenz, Ausdauer, Empathie mitgeben zu können? Würdest Du Erbkrankheiten elliminieren lassen? Vorallem auch mit dem Wissen, andere "modifizieren" ihre Kinder und Deine haben nur die Chance mitzuhalten, wenn Du es ebenfalls tust.
" "Unsere Natur hat sich laufend genetisch verändert. Warum haben manche Menschen blaue Augen? Wegen einer kleinen Mutation irgendwo im Schwarzmeergebirge vor sechs- bis neuntausend Jahren. Warum vertragen Nordeuropäer Kuhmilch besser als Südeuropäer? Genetische Veränderung. Zwei von vielen Beispielen."
"Aber das waren natürliche Veränderungen!"
"Und was ist daran besser als an gezielten?"
"Etwa, dass sie über Generationen hinweg verliefen und Zeit zur Anpassung gaben."
"Der Neandertaler starb trotzdem aus. Was war besser daran, dass es über Jahrtausende hinweg geschah statt innerhalb weniger Generationen?"
[...]
"Du schüttest das Kind mit dem Bade aus. Natürlich wirft diese Entwicklung Fragen auf. Wie schon bei grüner, roter und weißer Genetik in Medizin, Landwirtschaft und Industrie. Gegen die hast du auch nichts."
"Viele Menschen schon."
XY [Name weggelassen] lachte so laut, dass sich die Soldaten besorgt nach ihnen umsahen. "Die dir egal sind! Sonst wäre Gentechnik in den USA nicht so weit verbreitet. Also komm mir nicht mit den Argumenten der Gegner! Folgen der Gentechnick für Armutsgeplagte und Benachteiligte weltweit waren dir scheißegal, solange du und deinesgleichen damit viel Geld verdienen konnten. Doch jetzt plötzlich ist deine Vorrangstellung als reiche weiße Frau der westlichen Welt, also als Mitglied der priviligiertesten Prozente der Menschheit -wenn man von reichen, weißen Männern absieht-, in Gefahr! Ja, wer hätte gedacht, dass du je in diese Situation kommen würdest?""
Normal lese ich nicht gerne Bücher mit verschiedenen Perspektiven. Da ist es bei dem einen gerade so spannend, dann wechselt es zu dem anderen. Hier hat es mich kein bisschen gestört. Die Kapitel waren am Anfang nie so lang und die Spannung ist eh so hoch, dass man gar nicht so schnell umblättern kann, wie man liest. ;)
Das Zitat des Buches:
"Scheiße hat den Ventilator erreicht."
Was noch besonders war: Das ich streckenweiße doch ziemlich mit dem Antiprotagonisten sympathisiert habe, was mich in die schwierige Überlegung brachte, wie das Buch wohl ausgehen sollte. Zum Glück musste ich das nicht entscheiden. Aber ich kann dazu durchaus sagen: Das Ende hat mir sehr gefallen.
Ebenfalls interessant, dass der Präsident der USA in dem Buch eine Frau ist. Elsberg hat wohl auch gehofft, dass es -nicht- Trump wird.
Ganz nebenbei wird in dem Roman deutlich, was flächendeckende Überwachung heißt. Unheimlich, kann ich nur sagen.
Das Buch bekommt von mir ganz klar 5 Sterne und ein Krönchen dazu. Außerdem rutscht es auf die Liste der möglichen Top-Drei des Jahres.