Thriller zur unkontrollierten Erderwärmung
Von: Andreas
Datum:
22. März 2023
Wenn es im Kleinen nicht funktioniert, dann muss etwas Großes her! Unter diesem Motto entwickelt Marc Elsberg seine Story von Klimawandel und wie eine Reaktion darauf aussehen kann.
So sieht, wir wissen es, die Lage aus, wenn es um das Weltklima geht: alle paar Jahre versammeln sich ganz wichtige Leute zu einer Klimakonferenz und lassen sich dafür feiern, viel gesprochen und nichts erreicht zu haben. Ein Spiel, das uns schon seit einigen Jahrzehnten begleitet, während die Folgen des Klimawandels für jeden offensichtlich sind und nur noch von ein paar Rechtspopulisten und Industrie-finanzierten Politikern geleugnet werden.
In dieser Situation scheint ein Staat, in dem nicht erst nach Meinungen gefragt, sondern einfach beschlossen wird, des ewigen sinnlosen Tuns überdrüssig: China ergreift die Initiative, um eine „Zeitenwende“ in der Klimapolitik herbeizuführen. („Zeitwende“, das ist auch ein sehr gerne von Politikern gebrauchtes Schlagwort für hohle Phrasen).
Mit riesigen Drohnen soll Geoengineering in gigantischem Maßstab betrieben werden. In zwanzig Kilometer Höhe werden Partikelwolken ausgestoßen, die schlussendlich über den ganzen Globus verteilt, die Sonneneinstrahlung filtern sollen – „Der Große Sonnenschirm“, wie China dieses Projekt nennt. Was sich zunächst wie eine endlich zielführende Lösung anhört, lässt aber viele Fragen über die Folgen offen. Das Projekt wird in einer durchgeplanten PR-Aktion ankündigt, die natürlich auch einen anderen Zweck verfolgt, nämlich zu verschleiern, dass China selbst einen immer größeren Anteil an der Krise hat.
Man ist mitten in einem Thriller über das gegenwärtig bedeutendste Problem der Menschheit gelandet: die unkontrollierte Erderwärmung.
Dass die Sache nicht so einfach ist, und dass hinter der vorgeschobenen Sorge Chinas um das Schicksal der Welt nur Machtpolitik steckt, lässt sich schon aus den Worten des Außenministers heraushören. China stellt Forderungen an die anderen Staaten der Welt und spricht unverhüllt Drohungen aus, sollte man diesen nicht Folge leisten.
Das Geschehen ist über den ganzen Erdball verteilt und überall werden Politik und Medien von den Ereignissen überrascht – Ganz gleich, ob im Weißen Haus in Washington, bei der deutsche Regierung in Berlin, in Kenia, das mit China von Anfang an zusammenarbeitet, in New Delhi, dem Regierungssitz Indiens und direkten Nachbarn Chinas. Das Personenverzeichnis gleich am Anfang des Buches leistet wertvolle Dienste dabei, den Überblick zu behalten.
In großen Sprüngen über den Globus wechselt der Schauplatz mit fast jedem Kapitel. China hat einen Schritt gesetzt, nach dem die anderen Nationen Stellung beziehen müssen. Wie werden die Staaten des Südens reagieren, welche Position nimmt der Westen ein, welche Rolle spielen die Umweltaktivisten und was werden die allzu mächtigen Wirtschaftsimperien unternehmen. Wie überhaupt ist dieses Vorpreschen Chinas zu bewerten: als mutiger Schritt zur Lösung des Problems oder nur als machtpolitischer Schritt mit unübersehbaren Folgen für die Menschheit?
Marc Elsberg hat sich ein brennendes Thema für seinen neuen Roman vorgenommen, das in nahezu alle Bereiche des Lebens hineinwirkt. Der Handlung fällt es mit dieser vorgegebenen Breite jedoch schwer, über die vielen Namen, Orte und Ereignisse übersichtlich zu erzählen, mir fällt es genau deshalb auch schwer, in einen Lesefluss zu kommen; es ist zu holprig, zu unstet, um Spannung aufkommen zu lassen. Unübersehbar stellt sich die Herausforderung, wissenschaftliche Hintergründe, durchaus schon mögliche technische Lösungen und reine Fiktion in eine gemeinsame Story zu gießen, als zu hohe Hürde heraus.
Mein Eindruck ist, dass Elsberg den globalen Charakter des Themas in seinem Roman genau durch diese Vielzahl an Schauplätzen und Ereignissen abbilden wollte. Er entwirft ein Zukunftsszenario des Planeten, in dem die Auswirkungen der menschengemachte Klimakatastrophe zu vielfältigen Konfrontationen führt: China gegen den Westen, Russland gegen alle, Norden gegen Süden, Arm gegen Reich, etc. Dabei schaut jede und jeder nur genau bis zur eigenen Nasenspitze und interessiert sich nicht dafür, welche Folgen das eigene Handeln für andere hat. Insofern ist alles „Business as usual“, könnte man sagen, nur eben in diesem Roman immer in viel größerem Maßstab. Aber wer kann schon vorhersagen, wie es auf unserem Planeten in den nächsten Jahren zugehen wird, wenn die Erderwärmung immer mehr Weltgegenden unbewohnbar macht. In „°C – Celsius“ ist es jedenfalls eine düstere Welt, die in der Zukunft auf uns wartet.
Für meinen Geschmack schießt Elsberg dabei mit seinen Utopien aber allzu oft weit über das Ziel hinaus. Beim Lesen den Überblick zu finden ist anstrengend und ihn dann zu behalten ist schwierig.
Es darf im Zusammenhang natürlich nicht fehlen, das vermehrte Auftauchen von unbekannten Flugobjekten Anfang des Jahres 2023 zu erwähnen, von denen angenommen wurde, es handle sich um chinesische Spionageballons. Kurz vor dem Erscheinen dieses Romanes machten die Berichte über diese Objekte weltweit die Runde durch die Medien – als ob Autor und Verlag ihr Timing perfekt darauf abgestimmt hätten :-)